Das Gilroy-Paradox

Diego Luna in Andor. (Disney)

Was Autor*innen von ANDOR lernen können

„Star Wars hat mich noch nie interessiert", gesteht Tony Gilroy – eine bemerkenswerte Aussage für den Showrunner einer Star-Wars-Serie.

Besonders, weil Andor, die gerade nach der zweiten Staffel zu Ende ging, als beste Star-Wars-Produktion seit Jahrzehnten gilt: 98% positive Kritiken, euphorische Fanreaktionen, und Vanity Fair jubelte: „Die beste Fernsehserie des Jahres."

Wie kann es sein, dass der wichtigste kreative Kopf hinter dem Erfolg nicht an der Weltraummärchen-Franchise interessiert ist – und welche Schlüsse können Autor*innen daraus ziehen?

Die persönliche Obsession in der Megafranchise

Obwohl Jedi-Ritter und Laserschwerter den Oscar-nominierten Autor und Regisseur von Michael Clayton kalt lassen, hat Gilroy eine persönliche Verbindung zu George Lucas‘ Weltraummärchen gefunden: Der Kampf der Rebellen gegen ein übermächtiges Imperium faszinierten ihn. Als Laienhistoriker hat er „unglaublich viel Zeit" damit verbracht, revolutionäre Bewegungen zu studieren. Mit Andor bekam er plötzlich „eine riesige Leinwand, um eine Geschichte über Revolution zu erzählen."

Hier liegt ein spannendes Paradox: Gilroy ignorierte die Erwartungen von Star-Wars-Fans und folgte stattdessen seiner persönlichen Obsession. Anstatt mythenlastigen Heldenreisen erzählt Andor eine komplexe Geschichte über den Preis des Widerstands, die sich an historischen Aufständen wie der Russischen oder Haitianischen Revolution orientiert. So entstand eine neue Perspektive auf ein bekanntes Universum, das jetzt Fans und Kritiker begeistert.

Die authentische Verbindung zur Geschichte

In meiner Arbeit mit Autor*innen begegne ich diesem Paradox immer wieder. Wer mit der Absicht schreibt, ein möglichst großes Publikum zu erreichen, verliert sich oft in Trends und Erwartungen. Das Ergebnis sind Geschichten, denen trotz handwerklicher Fertigkeit etwas Grundlegendes fehlt: Die authentische Verbindung der Autorin zu ihrem Material.

Am Anfang jeder Geschichte steht ein kreativer Impuls, eine Frage, eine Faszination, die nach einer Antwort sucht. Je klarer deine Verbindung zu diesem Impuls, desto kraftvoller das Ergebnis.

In meinen Beratungen frage ich deshalb oft: „Was lässt dich an dieser Geschichte nicht los? Welche persönliche Verbindung hast du zu diesem Material?" Durch das Vertiefen dieser Verbindung können handwerkliche Aspekte viel gezielter eingesetzt werden, die Geschichte gewinnt an Bedeutung — und genau darauf reagiert dann letztendlich auch das Publikum.

Der Mut zur eigenen Vision

Gilroys persönliche Faszination mit Revolutionen hat Lucas' Weltraummärchen eine neue Relevanz verliehen. Weil der Autor seiner authentischen Vision gefolgt ist, statt Erwartung zu erfüllen, wirkt Andor in einer Zeit zunehmender Autokratie nicht märchenhaft, sondern plötzlich hochbrisant:


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